Online Magna Charta

Referenten:
Jürgen Christ (Leipzig)
padeluun (Bielefeld)

Der Anlaß, eine Online Magna Charta zusammenzustellen, war ein Mitgliederausschluß bei Compuserve, der wegen Kritik an den neuen AGB entstand. Mit den neuen AGB wird das Urheberrecht nach Absenden seines Textes automatisch an Compuserve übergeben. Die Einsetzung der neuen AGB fand mit geringer Ankündigung statt. Compuserve kündigte die Verträge mit Kunden, die in Foren die AGB kritisierten.

Gottfried Weiß, sächsischen CDU-Politiker, war so sauer, daß er mit Arbeit an der internationalen Online Magna Charta begann. Die Diskussion zur Magna Charta unter Compuserve zu starten, klingt eigentlich daneben, aber man muß halt "anfangen mit den faßbaren Realitäten, die man hat".

Die Zielgruppe sind die bürgerlichen Internetnutzer mit wenig Kontakt zu Technik und Politik, deren Sicherheit auf email-Postfach, sprich virtueller Existenz, gesichert werden soll.

Die Charta soll am 4. Januar feierlich mit Vertretern der Öffentlichkeit, Medien und der Netizens auf der Wartburg in Thüringen verabschiedet werden.

Die Charta ist wie die Netiquette lebendig und wird ständig weiterentwickelt. Die aktuelle Version der Online Magna Charta ist verfügbar auf www.net6.de/charta.htm. Dort sind können Anregungen zur Charta hinterlegt werden, die historische Entwicklung der Anforderungen an ein internationales, freies Netz wird hier nachvollziehbar dargestellt.

padeluun gab uns einen großen Einblick in seine Schatztruhe der gesammelten Theorien zum Arbeiten mit und für das Netz im nächsten Jahrtausend.

Netze entstehen durch Teilnahme.
Gesetzgeber haben wegen des hohen Presseinteresses jetzt zwar den Zwang, auf das Netz zu reagieren, Netzgesetze oder Magna Charten brauchen aber, laut padeluun, wohl noch 6-7 Jahre bis sie vollendet sind und praktikabel angewendet werden können.
padeluuns These, Verbrechen könne es im Netz nicht geben, es würde nur Verbrechen in der Realität geben, wurde angezweifelt. Verbrechen können Internets stattfinden, z.B. Landesverrat, indem Informationen über Truppenstärke eines Staates veröffentlicht werden.

Sicher ist: das Internet hat geholfen, Menschen vorm Verderben zu retten - soziale Randgruppenkonflikte werden als real wahrgenommen und verfolgt.

Die Übersicht um das Zentrum "Themen für eine vernetzte Welt" stellte eine weitgreifende Sammlung an Zuständen und Anforderungen an das Netz dar. padeluuns "Think Tank"-Ergebnisse waren die Vorlesung der nächsten halben Stunde, hier einige Stichworte

Netzphänomene
Themen, wie z.B. Rechtsradikale oder Kinderpornographie, die durch die Medienberichterstattung über das Netz in die Öffentlichkeit kamen. Gesetzgebung bereits vorhanden.

Recht auf Dummheit
Nicht jeder kann alles wissen, Newbies wird es immer geben und Fragen bildet, also laßt ihnen auch den Raum.

Recht auf Lernen
Bildungsurlaub für Netzwerk- bzw. Kommunikationsbildung, Kommunikationskultur und Medienkompetenz gehören in frühe pädagogischen Programme, z.B. "Schulen an's Netz" mit einem Schul-Intranet zum Trockenschwimmen für später.

Recht auf Lügen
Lügen existieren und die eigene Urteilsfähigkeit sie aufzudecken ist wichtig.

Dummheit in Netzen
"Big Brother" ist nicht der Staat, es sind heute Firmen, und sie holen sich nicht die Informationen, sondern wir liefern sie gleich selbst ab. Die Tunnelgangster in Berlin wurden z.B. geschnappt, weil die Stahlstangen per Kreditkarte gekauft wurden und der Barcodeaufkleber auf den Stangen zur Kreditkarte führten. Dummheit muß bestraft werden, oder was ?!

Schweigepflicht für Systembetreiber / Zeugnisverweigerungsrecht
für alle größeren Städte Mediencafes als globaler Dorfbrunnen
In Amerika sieht Stadtplanung keine Dorfplätze und Treffpunkte mehr vor, shopping-malls werden zum letzten Begegnungsort für die liquide Bevölkerung. Orte zur Begegnung außerhalb kommerzieller Strukturen (also auch nicht Internet-Cafes) sind zu schaffen.

Kontraktierungszwang für Systembetreiber/innen
Der Zugang zum Computersystemen darf nicht verweigert werden, ein Account-Verbot darf nicht vorkommen.

Recht auf Homepage
Als elektronische Visitenkarte und weiteres.

Festlegung globaler Rechtssprechung
globales Urheberverwertungsrecht
Recht auf Leistungsvergütung im Netz
Netzservice muß bezahlt werden, die ganzen lieben Leute, die sich um Fragen und um die Neuen kümmern, müssen ihre Tätigkeit bezahlt bekommen.

ip6 Protokollverschlüsselung
Anonyme Netznutzung auf dem Kabel, Header verschlüsselt, Absender werden nur dem Empfänger mitgeteilt.

psychiatrische Nachbarschaft
Verhaltensweisen in Flamewars mit Spinnern, Umgang mit auffällig gewordenen Menschen im Netz, ohne sie zu Entfernen müssen gefunden und gepflegt werden.

Mobbing-Schutz
z.B. daß der Bundescanceler nicht von der üblen Nachrede der Spammer überschwemmt wird.

Zugangskosten entsprechend dem Bruttosozialprodukt des Landes -
Als "Entwicklungshilfeprojekt" könnte ein Kostenausgleich zwischen Industrieländern und den "informellen Habenichtsen" stattfinden..

Transparente Firmengestaltung für Onlinedienste
Gläserne Gehäuse für Netzwerkrechner, Ciscos und Sysops.

Genossenschaftliche Struktur von Providern
Warum eigentlich nicht ?

Frauenquote in Internetfirmen
Um dem Barbarentum von Technikwahnideen in Männerfirmen vorzubeugen.

Behinderte bevorzugt
Behindertenquote um Köpfe zusammenzubringen und sich nicht von fehlenden Gliedern ablenken zu lassen.

Netzgeldverbünde
Tauschringe und Lokalwährungen.

Mit nur noch 10 Minuten waren nur noch kurze Statements aus dem Publikum möglich.Einige Reaktionen und Kommentare:

• Der Schutz von Nutzern und Betreibern muß gleichermaßen im Auge bleiben.
  Hako meint, es muß schneller als in 10 Jahren zu praktikablen Gesetzen und Reaktionen von unserer Seite kommen.
• Das Recht auf Anonymität muß festgelegt werden.
  Die Schweigepflicht bei Vereitelung von Strafsachen ist noch fragwürdig.
• Donn (SPD) beschwerte sich über das mangelnde politische Interesse.
  Die TKG ist in Fertigstellung, der CCC muß jetzt mitreden um Desaster zu vermeiden.
  Der Schutz der Provider ist bereits O.K., alles andere ist grausam, aber keiner interessiert sich im Netz dafür. Donn fühlt sich in Bonn ziemlich einsam mit seinen Aktionen und seiner Arbeit im Parlament, da kaum Lobbyarbeit in Bonn vom CCC betrieben wird und nur geringes Interesse im Netz vorhanden ist.
• Die TKG und weitere Gesetzesänderungen aufgrund des Internets im deutschen Rechtssystem liegen im WWW vor.

Otfrid Weis
Otfrid.Weiss@t-online.de
100142.1247@compuserve.com

Jürgen Christ
j.christ@geonet.com
100105,726@compuserve.com

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